Knapp 2 Millionen Brustvergrößerungen pro Jahr, noch einmal so viele Fettabsaugungen und fast 900 000 Korrekturen an der Nase – bei solchen Zahlen kann einem schon schwindelig werden. Und es drängt sich die Frage auf, was einen Menschen dazu treibt, ohne krankheitsbedingte Notwendigkeit eine derart große und risikobehaftete OP wie eine Brustvergrößerung, eine Liposuktion oder eine Nasenkorrektur auf sich zu nehmen. Von den Kosten – die leicht im vierstelligen Eurobereich liegen – ganz zu schweigen. Wo also liegt der Grund? Leiden Frauen und Männer tatsächlich so sehr unter vermeintlichen Schönheitsfehlern, dass das Risiko einer Operation dagegen klein erscheint?
Befeuert wird das Ideal der absoluten Schönheit vor allem durch Medienberichte. Derzeit laufen sogar sehr erfolgreiche Fernsehshows, die einzig die Verwandlung eines hässlichen Entleins in einen schönen Schwan zum Thema haben. Die Medien sind es aber nicht allein – oft genug suggerieren auch die ästhetischen Chirurgen und ihre Kliniken selbst, dass mit ein bisschen Nachhilfe nahezu alles möglich ist.
Damit werden Schönheitsoperationen nicht nur gesellschaftsfähig, sie scheinen auch Allheilbringer für Probleme aller Art zu sein. In manchen Kreisen gehören Eingriffe in den Körper schon lange zum guten Ton. Längst legen sich auch nicht mehr nur Frauen unters Messer. Männer korrigieren ebenso alles, was korrigierbedürftig scheint. So werden auch an männlichen Körpern Schlupflider gehoben, Fett abgesaugt und Brustimplantate eingesetzt.
Wird dieser Trend abebben, wird der Wunsch nach Schönheit nachlassen?
Das ist eher unwahrscheinlich. Schönheit ist seit jeher etwas, wonach Menschen streben. Menschen, die das jeweilige Schönheitsideal ihrer Epoche optimal repräsentieren, werden in ihrer Zeit als sympathischer und erfolgreicher wahrgenommen als andere. Studien zu Folge sind sie es tatsächlich auch: In kaum einer Führungsposition werden sich Personen finden, die dem gängigen Schönheitsideal eklatant widersprechen, etwa adipös sind oder übermäßig gealtert. Auch alltägliche Jobs werden eher an Menschen gegeben, die zumindest den Schönheitsstandards entsprechen. Es scheint daher nicht verwunderlich, dass auch Männer immer häufiger den Gang zum Schönheitschirurgen wagen und Schönheitsoperationen längst kein reines Frauenthema mehr ist.
Grundsätzlich wird sich an der Formel: Schön = erfolgreich vermutlich nichts ändern. Was aber veränderbar ist, ist das Schönheitsideal. Derzeit mehren sich die Stimmen derer, die natürliche Schönheit fordern. Längst ist beispielsweise bei der Faltenglättung nicht mehr zwingend eine Botoxinjektion das Mittel der Wahl. Botox glättet zwar zuverlässig die Falten, es lässt aber auch die Mimik erstarren und verändert damit das Gesicht sehr stark. Aus diesem Grund wird heute eher Hyaluronsäure als Filler verwendet. Hyaluron glättet die Falten zwar sehr viel weniger stark als Botox, dafür sieht das Ergebnis der Behandlung natürlich und frisch aus. Auf Platz eins der Schönheitskorrekturen ist nach wie vor die Brustvergrößerung! Über 1.7 Millionen Mal wurde dieser Eingriff alleine im letzten Jahr durchgeführt.
Tendenz steigend.
Die Frage, ob die Gesellschaft heute oberflächlicher ist und die Menschen deshalb häufig zum Schönheitschirurgen gehen, ist eine sehr komplexe Fragestellung. Bestimmt ist es so, dass Menschen heute viel mehr Zeit haben, sich mit sich und ihrem Körper zu beschäftigen. Außerdem können heute via Internet & Co viel schneller Vergleiche gezogen und der eigene Körper ins Verhältnis zu anderen Körpern gesetzt werden. Erklärbar scheint der Schönheitswahn aber mit einem anderen Phänomen: Der Mensch neigt dazu, immer das haben zu wollen, was er nicht bekommen kann. Erschien zu Rubens Zeiten noch ein rundlicher Körper erstrebenswert – diesen konnte sich aufgrund der herrschenden allgemeinen Lebensmittelknappheit schon aus finanziellen Gründen nur die Reichen „anfuttern“ – gilt heute das Gegenteil als schön.
Aufgrund der allgemeinen Lebensumstände erfordert es heute eher Disziplin und der ein oder anderen kosmetischen und/oder chirurgischen Behandlung, um auch im höheren Alter schlank, frisch und jugendlich auszusehen. Damit ist wieder etwas besonders erstrebenswert geworden, was sich nur eine bestimmte Klientel leisten kann. Die Gesellschaft deshalb als „oberflächlich“ zu verteufeln, scheint daher etwas zu einfach zu sein. Vielmehr spiegelt der Schönheitswahn der heutigen Gesellschaft eher die Urwünsche des Menschen wider – nämlich „schön sein“ auf der einen Seite und „Abgrenzung zu finanziell schlechter gestellten Menschen“ auf der anderen Seite. Darüber hinaus haben die Menschen heute viel mehr Zeit und Geld zur Verfügung, um sich mit der Dauerbaustelle Körper intensiv beschäftigen zu können.
Überproportional häufig scheinen Berliner die Hilfe von Schönheitschirurgen in Anspruch zu nehmen. In Berlin ist die Anzahl der Ärzte und Kliniken, die entsprechende OPs durchführen im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl am höchsten. Auch das Stadtbild scheint das widerzuspiegeln. Vielleicht ist es auch nur eine subjektive Einschätzung, trotzdem scheinen in Berlin mehr Menschen zu leben, denen die Eingriffe an Gesicht und Körper deutlich anzusehen sind.
Quelle:
Hr. Dr. Kloeppel & Kollegen
http://www.drkloeppel.com/2014/10/14/beauty-community/